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Ach, diese Lücke #39 andererseits - der Newsletter
Im Sommer lösen wir (fast) alle Probleme - jede Woche andererseits
Problem (fast) gelöst!
Im Sommer lösen wir (fast) alle Probleme - jede Woche andererseits
Wir kennen sie alle: Die Probleme des Alltags, ob klein (wieso zerbröselt der Papierstrohhalm sofort, den ich als Plastikersatz verwenden will) oder groß (warum muss ich jeden Tag Todesängste auf meiner Fahrradfahrt durch Wien durchstehen). Die andererseits-Redakteur:innen nützen die Hitzemonate und widmen sich nach und nach ein paar dieser Probleme - doch nicht ohne auch an eine Lösung zu denken. Was dabei rauskommt, findet ihr jede Woche in unserem Newsletter
Diese Woche: Ach, diese Lücke!
von Julia Haimburger
Mein Problem: Was NICHT ist.
Ausverkauft? Kein Ventilator mehr zu bekommen? Da hatten wohl auch andere das Bedürfnis ein bisschen bewegte Luft in ihr stickiges Homeoffice zu bringen.
Eine Tüte mit zwei Kugeln, bitte. Heidelbeere und Pistazie! Pistazie ist aus? Ok, schade. Kein grünes Eis heute.
Zwei Freund*innen und ich treffen uns für einen Museumsbesuch. Vor der Ausstellung werden wir angesprochen. „Ich habe Sie ein bisschen beobachtet und muss Ihnen sagen, wie sehr ich das bewundere! Toll, dass Sie sich fürBehinderte (sic!) einsetzen und Ihre Zeit widmen.“ Ich bin sprachlos, während mein Gesicht unkontrolliert mein Entsetzen widerspiegelt. Ich bin mit Freund:innen hier. Anderssein spielt zwischen uns nur dann eine Rolle, wenn wir auf Barrieren stoßen. Wie fehlende Rampen, oder Menschen die „nett gemeint“ diskriminieren. Ableismus heißt diese Form der Ungleichbehandlung. Warum fehlt es so oft an Bewusstsein darüber?
Reisepass, 3G-Nachweis, Maske, Ausdruck der Tickets, Ausdruck der Impfbestätigung – etwas vergessen? Ich fahre mit dem Zug nach Italien. Grenzen zu überscheiten war auch schon mal leichter.
Kaum biege ich um die Ecke, rollt die Straßenbahn provozierend langsam an mir vorbei, als würde sie mir vorführen wie unerreichbar sie ist. Es scheint eine Regel, dass sie mir vor der Nase davonfährt.
Auch bei der der Arbeit schaffe ich es heute nicht, eine wichtige Idee zu vermitteln. Ich habe mich doch gut vorbereitet und bin mir in der Sache sicher. Warum gelingt es mir nicht mit Argumenten und meinem Wissen zu überzeugen?
Ich könnte noch viele Beispiele nennen, wo etwas nicht klappt, ich etwas nicht schaffe, ich einen Gedanken nicht zu Ende denke. Aber warum eigentlich? Warum sehe ich so oft das, was fehlt oder gerade NICHT da ist? Mein Problem: Das was NICHT ist.
Die Lösung: Lücken lassen
Beim Nachdenken über meinen pessimistischen Blick auf alles, was mir vor die Brillengläser gerät, wird mir ganz komisch. So viele Privilegien, Möglichkeiten, Freiheiten, schöne Momente, liebe Menschen, kleine Erfolge, die mir entgehen. Ich fühle mich ertappt, unbewusst und egoistisch.
„Schau, was ich nicht mehr hab´!“ der Sohn meiner Freundin streckt sich mir entgegen und zeigt mir stolz grinsend seine Zahnlücke.
Manchmal braucht es Lücken, denke ich mir. Etwas, was nicht ist, damit etwas Anderes Platz hat.
Die Lösung für mein Problem verdanke ich also einem 6-Jährigen: Das NICHT führt mich zu dem, was IST – wie: wunderbar kühle Luft nach dem Regen, Apfeleis, andererseits, das Meer wiedersehen, mein treues Rad und unsere echt tolle Projektgruppe.