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Blauwal oder Siebenschläfer? #36 andererseits - der Newsletter
Im Sommer lösen wir (fast) alle Probleme - jede Woche andererseits
Problem (fast) gelöst!
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Wir kennen sie alle: Die Probleme des Alltags, ob klein (wieso zerbröselt der Papierstrohhalm sofort, den ich als Plastikersatz verwenden will) oder groß (warum muss ich jeden Tag Todesängste auf meiner Fahrradfahrt durch Wien durchstehen). Die andererseits-Redakteur:innen nützen die Hitzemonate und widmen sich nach und nach ein paar dieser Probleme - doch nicht ohne auch an eine Lösung zu denken. Was dabei rauskommt, findet ihr jede Woche in unserem Newsletter
Diese Woche: Blauwal oder Siebenschläfer?
von Nicholas Ivansits
Ich liebe schlafen, aber manchmal fühlt es sich an wie Zeitverschwendung. Wie wäre es nicht mehr zu schlafen? Ein Gedankenexperiment.
Schlaf ist etwas zwingend Notwendiges in unserem Leben. Ob Menschen, Tiere oder Pflanzen, alle haben eine Phase, in der sie ihren Kreislauf auf Leerlauf stellen. Wir machen nichts so konsequent und regelmäßig wie schlafen. Jeder Mensch legt sich im Laufe des Tages irgendwann waagrecht hin und stellt sein Leben auf Standby. Man begibt sich in die Hände des Nichts tun. Ich würde sogar so weit gehen und sagen man verlässt sich zu hundert Prozent auf seinen eigenen Körper. Das Gehirn, beziehungsweise der Verstand, sagt dem Körper: „So jetzt habe ich genug vom Denken, du übernimmst.“
Am nächsten Morgen liegt man dann mit offenen Augen im Bett und versucht die Fragmente seines Traumes zusammenzusetzen. Ich hatte immer schon eine Faszination für das Schlafen. Als ich klein war, hatte ich lange Angst vor der Dunkelheit, ich konnte nur Einschlafen, wenn meine kleine Löwenlampe in der Steckdose steckte. Mittlerweile kann ich überall einschlafen. Egal in welcher Lage, egal zu welcher Zeit, egal in welchem Verkehrsmittel.
Vor ein paar Jahren machte ich mir viele Gedanken darüber. Ich verschwende damit doch viel Zeit, oder? Blauwale im Vergleich schlafen nicht so wie wir Menschen. Würden sie so schlafen, würden sie ertrinken. Deshalb war die Natur besonders schlau und hat ihnen die Möglichkeit gegeben eine Gehirnhälfte auszuschalten und mit der anderen weiterzudenken. Damit sie weiterhin Luft holen können und somit nicht in der ersten Nacht aussterben. Genial, Wale nutzen ihre Lebenszeit zu hundert Prozent. Muss doch grandios sein. Nie schlafen. Immer aktiv leben.
Aber Blauwale erfahren wohl auch nie das Gefühl am Morgen ausgeschlafen aufzustehen und voller Energie zu sein. Blauwale kennen dieses Gefühl nicht, zumindest werden sie es deshalb nicht vermissen. Ich würde es vermissen.
Auch Siebenschläfer würden es vermissen. Sie praktizieren wohl die radikalste Form von Schlaf: Sie schlafen sieben Monate durch.
Wenn ich von September bis Mai schlafen könnte, würde ich es vielleicht auch tun. Tagelanges, nein, monatelanges vor sich hinträumen. So schön das auch klingen mag, weiß ich nicht, ob mich dieses Leben glücklicher machen würde. Letztendlich ist Schlaf auch die letzte Station des Lebens und wie sich diese wohl anfühlt, werde ich wahrscheinlich erst am Ende erfahren. Dennoch bleibt in mir der Zwiespalt zwischen Blauwal und Siebenschläfer, denn ich will doch so viel wie möglich wach und aktiv erleben, aber ebenso oft nach dem Erlebten, mich einfach wieder schlafen legen.